Ronald Pohl – sudelküche seelenruh

Ronald Pohls Komödie sudelküche seelenruh nimmt Maß an Ödön von Horváths Zur schönen Aussicht: In einer abgehausten Urlaubspension dominieren Tausch- und Ausbeutungsverhältnisse über die Mitmensch-lichkeit. Ein Feinkosthändler, der mit seinen vorgestreckten Produkten die „sudelküche“ unterhält, bezieht Quartier in dieser schäbigen Absteige. Die elementaren Unterschiede zwischen Gästen und Dienstleistern sind an diesem Nicht-Ort aufgehoben. Die lustanreizende Ökonomie von Angebot und Nachfrage wird bloß vorgegaukelt – aus Gründen der Daseinsaufbesserung. Da schneit das Mädchen Marianne herein – sie, die vom Pensionswirten ein Kind bekommen hat, bedroht mit ihrem Erscheinen die verrotteten Verhältnisse. Die Egoisten der Daseinsvorsorge üben sich ihr gegenüber in Solidarität. Erst die Vorspiegelung bedeutender Geldmittel bricht die Front der Neider auf. Die Brocken von Horváths Etüde über die Erscheinungsformen menschlicher Gemeinheit werden wie in einem Hohlspiegel gesammelt: Die Sprachverwendung der Figuren spiegelt die Miseren von Unterdrückung und Zurichtung des Subjekts in der spätkapitalistischen Sphäre wider. Die sudelküche seelenruh ist ein gegenwärtiger Ort, an dem Moralisten, die sich als saturierte Richter über schon überwunden gedachtes historisches Unrecht verstehen möchten, in ihrer Sprachverwendung einen Tiefensatz dieser ökonomischen und patriarchalen Grundstruktur weitertragen. In wahnwitzigen Redekaskaden entsinnen sich die Bankrotteure der zirka vorvor-letzten Weltwirtschaftskrise ihrer einstigen Souveränität und Handelsmacht. Ein verzwicktes Rede-Stück als Schönsprechoper – für zwei Damen und vier Herren (Wirt, Händler, Boy, Chauffeur vs. Gästin, Marianne). Ronald Pohl, geboren 1965, lebt als Autor und Kritiker in Wien. Darsteller: Anselm Strasser – Johannes Seilern, Herr Händler – Klaus Gramüller Chapeau – Ronald Rudoll Belboy – Uwe Peter Spinner Die Gästin – Petra Weimer Marianne – Claudia Androsch Regie – Stephan Bruckmeier Regieassistenz / Kamera – René Bein Bühnenbild und Ausstattung – Gudrun Kampl Lichtdesign – Harry Michlits Musik – Gilbert Handler Bildregie – Arndt Wirth Videoanimation – Susanne Praglowski Technik – Stephen Herter Produktion – Eva Hosemann

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Mi / 08.10.2003  - Do / 09.10.2003