Musiktheater

Theater Tanto Susanna Tabaka-Pillhofer Jan Tabaka Ole Georg Graf, Licht Clementine Gasser, Violoncello Agata Zubel, Sprechstimme Ernst Kovacic, Violine Andreas Schablas, Klarinette Günter Vogelmayr, Flöte Franz Ortner, Violoncello Marianna Shirinyan, Klavier Boguslaw Schaeffer Fragment für 2 Schauspieler und einen Cellisten Arnold Schönberg Pierrot lunaire op. 21 [b]19€ | 9€[/b] [b]In Kooperation mit der Greißlerei beim Münster[/b] Bogusław Schaeffer, 1929 in Lemberg geboren, ist im besten Sinne des Wortes ein Allrounder abseits seichter Unterhaltungsmusik. Sein Werkeverzeichnis umfasst – abgesehen von Theaterstücken und Büchern – weit über 500 Arbeiten und sprengt infolge seiner ästhetischen Buntheit die begrifflich übliche Begrenzung der Gattungen. Er war einer der ersten, der die Zwölftönigkeit nützte und galt in seiner Heimat als \"Vater der neuen Musik Polens\". Es sei falsch, sagt er, zu glauben, dass der Wert der musikalischen Aussage von deren Allgemeinverständlichkeit abhänge, eine komplexe Musik sei jedenfalls zu bevorzugen. Seit rund 25 Jahren lebt und wirkt Schaeffer in Salzburg (ab 1985 bis zu seiner Pensionierung Professor für Komposition am Mozarteum). 2007 erhielt er den Großen Kunstpreis des Landes Salzburg. Sein Interesse gilt gleicherweise der experimentellen und elektronischen Musik wie jener, die sich durch \"grafische\" (notenlose) Notation der Aleatorik öffnet. Selbstverständlich sind viele Werke auch wie üblich notiert. Er schätzt den Stilpluralismus, keineswegs hingegen musikalische Beliebigkeiten und meint, jede Komposition solle ein Abenteuer sein und ein kleines Geheimnis in sich bergen. Das Abenteuer bleibt evident, wo interpretatorische Freiheiten herrschen. \"Fragment\" existiert in mehreren Versionen und hat daher verschiedene Entstehungsdaten. Das aufgeführte kann instrumental solistisch verschieden besetzt werden: Violine, Violoncello, Klarinette, Saxophon, auch Akkordeon. Die Sprache hat (einschließlich gestischer Elemente) dominante Funktion. Der Titel deutet den Ablauf des Stückes an. Es wird insgesamt vieles angeschnitten oder begonnen, aber nicht alles zu Ende geführt. Die zwei mitwirkenden Schauspieler unterhalten sich miteinander über diverse mehr oder weniger grundsätzliche Probleme. Man redet unter Umständen auch aneinander vorbei. Das Violoncello versucht musikalisch immer wieder, auf sich aufmerksam zu machen. Der (die) Spielende wird daher mitunter in den Dialog einbezogen, aber auch wieder völlig beiseite gelassen. Eine pointierte Interpretation macht das Stück amüsant. Es ließe sich in die Nähe des \"instrumentalen Theaters\" rücken, das in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts seine Blütezeit hatte (zum Beispiel \"Match\" von Mauricio Kagel für zwei gegeneinander anspielende Cellisten und einen Schlagwerker als Schiedsrichter). Die Vertonung der \"dreimal sieben Gedichte\" des Belgiers Albert Giraud (1860-1929), ins Deutsche übertragen vom Lyriker und Dramatiker Otto Erich Hartleben (1864-1905), hat im Gesamtschaffen Schönbergs einen zentralen Stellenwert. Das Werk ähnelt einem Melodram, einer musikalischen Gattung, die im historischen Kontext kompositorisch eher nicht üppig bedient wurde. Gerade das mag Schönberg angeregt haben, sich dem Melodram (kunstvoller, ausdrucksbetonter Textvortrag mit instrumentaler Begleitung) zu widmen und innovativ zu gestalten (nicht zu verwechseln mit dem Monodram, etwa die expressionistisch übersteigerte \"Erwartung\"). Für den \"Sprech\"-Part im \"Pierrot lunaire\" sind hohe Musikalität und rhythmische Präzision Grundvoraussetzung. Gefordert ist \"Sprechgesang\", eine streng strukturierte Sprachmelodie, in der zwar die jeweilige Tonhöhe prinzipiell cum grano salis fixiert ist, die Höhe des Tones aber, im Unterschied zum Gesang, nach dem Ansatz aufwärts oder abwärts zu verlassen ist. Wegen der Gebundenheit an die Instrumentalmusik darf also weder realistisch natürlich noch deutlich singend gesprochen werden. Ein heikler Balanceakt. Zwar ist artifizielle Manieriertheit eine Komponente des Textes mitsamt der Komposition, aber keinesfalls im Sinne exaltierter Gefühlsergüsse. Die aphoristischen Situationen kennen das ungebrochen Echte nicht. (Dieses zeigt sich nur in den kompositionstechnischen Finessen.) Die emotionelle Maskierung sollte sich auf dem gefährdeten Grenzweg zwischen surrealer Künstlichkeit und der Absturzgefahr ins Banale equilibristisch behaupten. Die 21 formal sehr ähnlich gebauten Gedichte laden dank ihrer Reprisenelemente zur Vertonung geradezu ein. Allerdings hat sich Schönberg diesem Schema gar nicht sklavisch gebeugt. Jedes Gedicht ist dreistrophig, die Anfangszeile der jeweils ersten Strophe kehrt am Schluss der dritten wieder. Und die beiden ersten Zeilen der jeweils ersten Strophe beschließen die zweite. Schönberg liefert ein Kabinettstück der Instrumentationskunst. Acht Instrumente (fünf Spieler) reichen, kammermusikalisch farbig und brillant das ganze Spektrum von Skurrilität und Groteske über feine Ironie und dynamische Ausbrüche bis hin zur sentimental angehauchten Nostalgie zu umfangen. Flöte und Piccoloflöte, Klarinette und Bassklarinette, Violine und Viola, Violoncello und das transparent gesetzte Klavier sind quasi Individuen mit wechselndem Führungsanspruch. Eingeblendet sind Charakterstücke (Walzer, Serenade, Barkarole). Es mangelt nicht an kontrapunktischen Kunststückchen: Passacaglia, Kanon, Imitatorik und ein doppelter Spiegelkanon (formstrenger Kommentar auf den Text der Nr. 18, \"Der Mondfleck\"). Das Werk entstand rund zehn Jahre vor Schönbergs Veröffentlichung seiner Zwölftontechnik. Es ist weitgehend tonalitätsfrei, angereichert durch andeutend tonale Reminiszenzen und zwölftönige Ballungen. L. K.

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Sa / 19.06.2010
19.30 Uhr
neuberg an der mürz / pillhoferhalle